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Volles Haus beim Info-Abend zum Konverterbau: Menschen zwischen Wut und Resignation (Januar 2019)

Bürgermeisterin mahnt Entscheidungsträger: Nicht juristisch, sondern menschlich entscheiden

Die Ansprechpartner des Abends "vor vollem Haus" in der Realschule Osterath.

Standen Rede und Antwort (von links): Oliver Cronau (Amprion), Gunde Ziegelberger (Bundesamt für Strahlenschutz), Angelika Mielke-Westerlage, Thorsten Mikschaitis (Amprion) und Sven Serong (Bundesnetzagentur). Foto: Stadt Meerbusch

Die Palette der Gefühle stand den rund 350 Besuchern des Info-Abends zum geplanten Stromkonverter ins Gesicht geschrieben, sie wurde aber auch in Wortbeiträgen und auf Protestplakaten mehr als deutlich:  Viele sind resigniert und frustriert - andere wütend und kampfbereit. Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage ermahnte die Experten der Bundesnetzagentur und des Netzbetreibers Amprion gleich zu Beginn eindringlich: "Wir haben es hier mit einem Problem zu tun, das nicht nur juristisch, sondern vor allem in Sinne der Menschen gelöst werden muss!"

Das Ringen um den verträglichsten Standort des Konverters, der aus Windparks im Norden gewonnenen Strom vom Emden über Meerbusch-Osterath weiter nach Philippsburg in Hessen 'drücken' soll, gleicht einer "never ending story". Menschenkette, Demo und Kundgebung der Osterather Bürgerinitiative gegen den Konverter verhallten. Das Grundmanko nannte Angelika Mielke-Westerlage gleich zu Beginn: "Niemand will Verantwortung übernehmen, die Opfer dieser misslichen Situation sind wir." Applaus aus den voll besetzten Reihen in der Aula der Realschule.

In der Hoffnung, durch neue Sachinformationen und Aufklärung über den Stand der Dinge wieder mehr Bewegung ins Verfahren zu bringen, hatte die Bürgermeisterin Oliver Cronau (Projektstand Ultranet) und Thorsten Mikschaitis (Konvertplanung) von Amprion, Sven Serong von der Bundesnetzagentur und Dr. Gunde Ziegelberger vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)  nach Meerbusch eingeladen. Das BfS, so betonte auch Moderator Frank Fligge, sei eine unabhägige Behörde und gelte als "seriösestes Forschungsinstitut für Strahlenschutz, das es in Deutschland gibt".

Wissenschaft sieht keine Gesundheitsgefahren

Auf die Aussagen der angesehenen Wissenschaftlerin und Expertin für Elektrosmog  war man besonders gespannt. Die Grenzwerte für magnetische Felder, so Ziegelberger grundsätzlich, seien in der 26. Bundesimissionsschutzverördnung (BImschV) festgelegt. Da es für elektrische Felder wegen nicht nachweisbarer Gesundheitsgefahren keine Grenzwerte gebe, bemühte sie sich, die Auswirkungen magnetischer Felder auf das menschliche Befinden möglichst allgemeinverständlich zu erläutern. Ihre Botschaft: "Im alltäglichen Leben - zum Beispiel beim Einsatz von Fön, Staubsauger oder Mikrowelle - sind die Belastungswerte durch magnetische Felder weitaus höher als durch Stromleitungen." Auch im Umfeld einer großen Konverteranlage nähmen die Feldstärken schon ab einem Abstand von 100 Metern so rapide ab, dass keine Belastung mehr feststellbar sei. Die in Simulationen errechneten Emissionen des Konverters seien von den Grenzwerten der BimschV weit entfernt. Ziegelbergers Fazit: "Eine Betroffenheit aus reiner Strahlenschutzsicht wird für Sie kein Thema sein." Im Publikum stieß sie mit dieser Aussage freilich auf wenig Gegenliebe: "Sie arbeiten wissenschaftlich, wir aber müssen gleich neben dem Konverter leben und haben Angst", so eine Zuhörerin.

Wie die Stadt gegen den Konverter kämpft

Was tut eigentlich die Stadt? Bürgermeisterin Mielke-Westerlage fasste noch einmal das dicke Bündel von Maßnahmen und juristischen Schritten zusammen, das die Stadt Meerbusch in den letzten Jahren im zähen Kampf gegen den Konverterstandort Osterath gerschnürt hat. Die Ordner mit dem zugehörigen Schriftverkehr füllen ganze Aktenschränke im Rathaus und im Stadtarchiv. Schon im Juli 2013 hatte die Stadt Verfassungsbeschwerde gegen das so genannte Bundesbedarfsplangesetz eingelegt, das Osterath als zentralen Netzverknüpfungspunkt auf der Nord-Süd-Stromautobahn festschrieb. "Eine Entscheidung über unsere Beschwerde gibt es bis heute nicht. Es steht nicht einmal fest, ob unsere Klage überhaupt zugelassen wird", so die Bürgermeisterin. Dass die Festlegung des Netzverknüpfungspunktes in Osterath einmal einen Konverterbau in unmittelbarer Nähe nach sich ziehen könnte, ahnte man damals noch nicht. Die Lage schien sich zu entspannen, als Osterath zwischenzeitlich komplett aus der gutachterlich ermittelten Liste der möglichen Konverterstandorte im Rhein-Kreis Neuss rutschte. Zentraler Grund: der vergleichsweise geringe Abstand des Bauareals zur nächsten Wohnbebauung.

Als kriterienübergreifend besten Standort benannten die Gutachter damals den "Standortbereich 20 - Dreiecksfläche in Kaarst" "wegen der vergleichsweise geringen Sichtbarkeit und der geringen Betroffenheit für das Schutzgut Mensch". Das bestehende Umspannwerk in Dormagen-Gohr wurde als ebenso geeignet eingestuft.

Die Einschätzung änderte sich dramatisch im finalen Gutachten 2017. Die Standortvariante Gohr schied aus, weil die Leitungsverbindung Richtung Norden über Erdkabel realisiert werden soll. Die "Dreiecksfläche in Kaarst" rückte als "kriterienübergreifend bester Standort" auf Platz eins, weil dort Baukörper des Konverters "teilweise abgesenkt errichtet werden und die Sichtbarkeit abgemildert werden" könnte. Der Haken: Das anvisierte Gebiet ist in der Regionalplanung als Kiesabbauflöäche festgeschrieben. Behörden nennen diese Situation "Zielkonflikt". Die Zweckbindung des Areals aufzulösen, ist bis heute nicht gelungen. Der Regionalrat verweigerte die Zustimmung, obwohl der Standort für die Kiesförderung in NRW nur marginale Bedeutung hat. Fatal: Der Standort am Umspannwerk Osterath kehrte damit auf Platz eins der Standortvariantenliste zurück.

Zankapfel Kiesabbau

Die Stadt Meerbusch berief unverzüglich eine Sondersitzung des Rates mit Vertretern von Amprion und der Bundesnetzangentur ein, Fachanwälte wurden eingeschaltet, das Gutachten als fehlerhaft angegriffen. "Wir haben dann mehrfach Resolutionen und Anträge der Stadt Meerbusch an den Regionalrat und die Landesregierung verfasst mit dem Ziel, die Realisierung des definitiv besseren Standortes in Kaarst doch noch zu ermöglichen", berichtete Mielke-Westerlage. Selbst der Interessenverband der Kiesbranche stufte die Kaarster Fläche schriftlich als unbedeutend für die Kiesgewinnung ein. Vergeblich. "Wir haben dann angesichts der verfahrenen Lage das NRW-Wirtschaftsministerium eingeschaltet, um den Regionalrat umzustimmen, aber nichts geschah." Der Regionalrat ziehe sich nach wie vor auf die Position zurück, dass die Klärung der Standortfrage Sache von Amprion bzw. der Bundesnetzagentur sei. "Wieder wird Verantwortung einfach weggeschoben", so die Bürgermeisterin.

Mitte Oktober 2018 lud Mielke-Westerlage den für die Energiewende zuständigen Bundesminister Peter Altmaier nach Meerbusch ein, um ihn für die vertrackte Lage zu sensibilieren. Antwort bekam sie keine. "Anfang Januar habe ich dann ein Erinnerungsschreiben nach Berlin geschickt." Einen Tag vor der großen Info-Veranstaltung zum Konverter habe sie telefonisch den Hinweis von einem Referatsleiter Altmeiers bekommen. Die Antwort des Ministers sei durch ein "Büroversehen" unterblieben. Gelächter in der Realschul-Aula.

Perspektive wenig ermutigend

Die Perspektiven für die Stadt Meerbusch, die Mielke-Westerlage abschließend den Zuhörern aufzeichnete, sind wenig ermutigend. Es droht der Bau eines 18 Meter hohen Industriegebäudes, das eine Fläche von 14 Fussballfeldern bedeckt - und dies auf einer bislang landwirtschaftlich und als Erholungsgebiet genutzten Fläche, die über mehrere Jahre aufgrund des geringen Abstandes zur Boverter Wohnbebauung überhaupt nicht mehr in Frage kam. "Landschaft und Stadtbild würden hierdurch extrem verbaut."

Die Optionen der Stadt im weiteren Verfahren sind überschaubar: Im anstehenden Genehmigungsverfahren kann die Stadt als Träger öffentlicher Belange Einwendungen vortragen. Finden diese keinen Niederschlag, bleibt nur der Klageweg. Ein Mittel, das auch erboste Zuhörer aus dem Plenum den Vertretern der Firma Amprion und der Bundesnetzagentur mehrfach androhten - mit erheblichen Zeitverzögerungen und steigenden Kosten als Folge.

Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage fand nach dereistündiger Info-Runde Worte des Dankes für das Publikum: "Danke, dass Sie so lange ausgeharrt und ihre Sorgen und Nöte für diejenigen auf den Punkt gebracht haben, die als Behördenvertreter am grünen Tisch eine Entscheidung treffen müssen. Rat und Verwaltung wissen um ihre Sorgen, wir sind bei Ihnen."

Entscheidung gegen die Menschen droht

Leider sei zu befürchten, dass man nun an einem Punkt angekommen sei, an dem wohl eine Entscheidung gegen die Menschen getroffen werde. "Das ist bedauerlich in einem Prozess, in dem man mit dem Anspruch angetreten ist, für Akzeptanz zu werben. Ich will einmal salopp sagen, das geht hier 'gehörig in die Hose' - und das ist völlig inakzeptabel."

Eine Besucherin, die die Aula vorzeitig verließ, brachte die Einschätzung vieler Zuhörer auf den Punkt. "Was wir heute abend von den Experten gehört haben, ist schön und gut - aber einen Koverter vor meiner Haustür will ich trotzdem nicht!"